Hanns -Josef Ortheil hat sich im Laufe von drei Jahrzehnten immer wieder in Venedig aufgehalten. Auf diese Weise hat er allmählich Facetten der Stadt kennen gelernt, die einem Drei-Tage-Besucher eventuell verborgen bleiben. Der Autor besitzt die Freundlichkeit seine Kenntnisse nicht für sich zu behalten, sondern sie dem interessierten Leser in wohlgesetzten Worten mitzuteilen. Wie für einen genußfreudigen und kunstinteressierten Zeitgenossen ein Tag in der Lagunenstadt aussehen könnte, erfährt man in dem vorliegenden Text, der sich in jeder Beziehung von den üblichen Reiseführern unterscheidet und doch einen Reisenden unterhaltend begleiten möchte.
Schon frühmorgens rät Ortheil zu einem Spaziergang auf den Fischmarkt, um die Früchte des Meeres zu bestaunen, deren salzigen Duft in sich aufzunehmen und zu sehen, was venezianische Hausfrauen umtreibt. Ein Gang in eine der vielen Kirchen, zur Frühmesse vielleicht, vermittelt einen Eindruck hinsichtlich der jahrhundertealten Verbundenheit der Einwohner mit Gott. Dabei erinnert der Romancier daran, dass Venedig von alters her in Kirchenbezirke eingeteilt ist. Von Sakralkunst ist die Rede und von Kirchengemälden, wie etwa von Tinterettos " Hochzeit von Kana". Dann spricht der Genießer von den vielen kleinen Bars, in welchen man sich für eine Weile aufhält, um ein winziges Glas Wein zu trinken und " Tramezzini" oder "Crostini" zu verspeisen. Was das im einzelnen ist und wie der köstliche Belag, so etwa "Peara" oder "Peverada", zubereitet wird, verrät Ortheil dem Leser ebenso gutmütig, wie viele andere lokale Rezepte, so etwa "Seppioline alla veneziana", "Tartufi di mare", "Risotto al radicchio rosso" oder das einer einfachen "Zuppa di lenticchie". Offenbar ist der Autor ein routinierter Topfgucker! Der Italienliebhaber kennt die venezianischen Familienpaläste von innen und beschreibt deren Ausstattung, um später dann durch die "Künstler und Literatenzone" zu schlendern.
Im 16 Jahrhundert, so erfährt man, war Venedig die Stadt des Buchdrucks. Nirgendwo wurden so viele Bücher produziert, wie in dieser Stadt. Ach ja, und von Denkmälern spricht Ortheil begeistert. Das Denkmal des größten Theaterdichters Venedigs "Goldoni" hat es im angetan. In seinen Augen ist es das schönste in der Stadt. Schön aber auch sind die Nachmittagsbesuche, etwa in der legendären "Harry`s Bar", wo sich einst Hemingway aufhielt und der Besitzer Giuseppe Cipriani zahlreiche illustre Gäste mit "Bellini" bewirtete. Das ist lange her, aber die eigentliche spektakuläre Zeit der Stadt liegt viel länger zurück. Casanova lebte in jenen Tagen und die adeligen verheirateten Damen erfreuten sich des Charmes ihres persönlichen "Cicisbeo", eines jungen, männlichen Begleiters, der ihnen, währendessen der Gatte seinen Geschäften nachging, nicht nur beim Ankleiden half.
Eine empfehlenswerte Lektüre, vielleicht gerade für Personen, die Venedig im Winter kennenlernen möchten.
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