Menschen, die kulinarischen Genüssen nicht puritanisch gegenüberstehen, sind allerdings gut beraten sich vor einer Reise in unsere Haupstadt in dem von mir hier rezensierten Buch schlau zu machen. Eine Fülle schöner Bilder verschafft einen Eindruck von all dem, worüber sich der Autor ausführlich auslässt.
Besonders interessant finde ich den Beitrag über die Berliner Traditionsküche. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Berliner Küche niemals originär war. Schlesier, Böhmen, Ostpreußen, Mecklenburger und Pommern aber auch die Hugenotten, die im 17. Jahrhundert von Friedrich Wilhelm dem Großen ins Land geholt wurden, brachten aus Frankreich ihre Küchentradition mit. So lernte man u .a . auch verschiedene Gemüsesorten kennen, die zuvor unbekannt waren, nicht zuletzt den Spargel, die Bohnen und den Blattsalat.
Die Vorliebe der Berliner für die Kartoffel haben sie übrigens auch dem Alten Fritz zu verdanken.
Alt-Berliner Gerichte sind u .a . " Berliner Schnitzel ", (diese bestehen aus panierten und gebratenen Scheiben vom Kuheuter), " Hoppelpoppel ", (Resteverwertung aus Bratkartoffeln und Bratenüberbleibseln) und " Schustertopf", (hierbei werden Matjesfilets und kalter Schweinebraten gemeinsam erhitzt.) Den Spagat diese Küche in die feine Küche zu integrieren wagen nur wenige Köche. Von der " Viermächteküche " gibt es auch noch Überreste. Wen es interessiert, wird im Buch mehr darüber erfahren.
Über die Currywurst wird man sehr gut informiert. Mitte der 60er Jahre machte sie der Berliner Klaus -Peter Bier salonfähig. " Bier`s Ku'damm 195" wird in diesem Zusammenhang vorgestellt. Dass bei dieser Spezialität Worcestersauce nicht fehlen darf, war mir neu. Man liest auch vom " Internationalen Bierfestival " sowie von der " Berliner Weiße " und bleibt nicht im Ungewissen, was man darunter zu verstehen hat. Biertrinker werden an diesem Beitrag gewiss Gefallen finden. Mein Interesse galt mehr den lobenswerten Berichten über das " Württemberger Weinhaus " am Lotte-Lenya-Bogen, über die Weinhandlung " Viniculture " in der Grolmanstraße, auch über den " Rioja- Weinspezialist " am Akzienplatz, über die " Weinhandlung Hertz" am Rüdesheimer Platz u .a. Weinhandlungen mehr. Die kulinarische Karthographie ist insgesamt sehr aufschlussreich. Sich mit ihr zu befassen, heißt auch einen soziologischen Eindruck von der Stadt zu gewinnen.
Eine Vielzahl sehr guter Restaurants wartet darauf besucht zu werden. Hochheiden lockt mit delikaten Rezepten der beschriebenen Restaurantküchen. Die Gerichte sind alle gut nachvollziehbar beschrieben und lassen sich problemlos nachkochen.
Das " Margaux ", unweit des Brandenburger Tores erscheint mir von allen beschriebenen Restaurants das attraktivste zu sein. Der Küchenchef Michael Müller lehrt, als einziger Deutscher, an der Pariser " École Ferrandi de Cuisine Francaise ". Dass seine Passion Kräuter sind, spricht für ihn.
Gemüse- und Obstläden, ein Teegeschäft, ein Tabakladen, diverse Cafes und Konditoreien, sehr gute Bäckereien, sogar ein Whiskyladen werden vorgestellt. Der Autor beschreibt alles kritisch und gut. Seinen Tipps kann man trauen. Ich möchte an dieser Stelle die von ihm erwähnte " Buchhandlung Kochlust" hervorheben. Dort vertreibt die studierte Kulturwissenschaftlerin Brit Lippolds Bücher übers Kochen. Mehrmals in der Woche finden in den Räumlichkeiten ihres Ladens Kochkurse statt, bei denen sich die eifrigen Leser praktisch schulen können. Eine gute Geschäftidee!
Das Buch ist gelungen. Die vielen Hinweise schützen davor in miesen Touristenschuppen abgezockt zu werden. Was will man mehr?
Empfehlenswert.
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