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Rezension: Europa- In 125 Jahren um die Welt- National Geographic

Der Herausgeber dieses Prachtbandes ist Reuel Golden. Er ist der ehemalige Chefredakteur des British Journal of Photography. Nach dem Vorbild des monumentalen Werkes "In 125 Jahren um die Welt" präsentiert der vorliegende Bildband ausgewählte, atemberaubende Bilder- von frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen bis Autochromen, vom goldenen Zeitalter des Kodachchrome-Films bis hin zur digitalen Moderne. 

Nach einer  aufschlussreichen Einleitung ist die transkontinentale und historische Entdeckungsfahrt durch Europa in fünf Abschnitte untergliedert, als da sind: 

Nordeuropa 
Osteuropa 
Mitteleuropa 
Westeuropa 
Südeuropa 

Seinen Abschluss findet das Werk in einer jeweils  biographischen Skizzierung der Fotografen. 

Mark Collins Jenkins schreibt in seiner Einleitung, dass sich ein unverwechselbarer Stil in der Fotografie von National Geographic herauskristallisierte, nachdem Gilbert H. Grosvenor, der einflussreichste unter den frühen Chefredakteuren von National Geographic, die Farbe für sich entdeckt hatte und er umgehend damit begann, ein eigenes Team von Fotografen zusammenzustellen. Dabei sollte man wissen, dass National Geographic als ein Wegbereiter auf dem Gebiet der Fotoreportage gilt. Hunderte von Fotografen waren in den letzten Jahrzehnten für National Geographic im Einsatz. Wie Jenkins schreibt, verbindet bei allen stilistischen Unterschieden ein immer kräftiger werdender Pulsschlag des dokumentarischen Fotojournalismus die Aufnahmen. Heute habe sich die Ausrüstung auf Kameras, Objektive, Batterien, Speicherkarten und Festplatten reduziert. Allerdings sei die Technik immer noch eine Erweiterung der Gefühle und der Phantasie des Fotografen. Hinzu komme allerdings noch der Faktor Glück. 

Die Aufnahmen im ersten Abschnitt sind in Dänemark, Färöer, Finnland, Island, Norwegen und Schweden entstanden. Man erfährt immer, wer das jeweilige Foto realisiert hat, wann und wo es aufgenommen wurde und was darauf konkret zu sehen ist. So sieht man beispielsweise auf einem Foto, das auf Färoer im Jahre 1970 entstanden ist, eine durch Grindwalblut verfärbte Bucht. Der Walfang ist dort eine jahrhundertelange Tradition, die trotz der Proteste von Tierschützern weiterlebt.

Ein imposantes Foto hat Orsolya Haarberg in Norwegen 2013 realisieren können. Polarlicht in Grün und "Blutaurora"…, so unwirklich wie ein Traum. Ein anderes Naturereignis hat Robert S. Patton aufgenommen, zu sehen ist ein aktiver Vulkan auf Island. Dort zu leben, dürfte unter diesen Umständen nervös machen. Traumhaft auch ist das Landschaftsbild von Orsolaya Haarberg, das sie 2015 in Schweden realisieren konnte. Es zeigt die untergehende Sonne im Nationalpark Sarek im schwedischen Lappland. 

Die Bilder, die Osteuropa entstanden sind, wurden in Estland, Georgien, Litauen, Rumänien, Russland und in der Sowjetunion gemacht. Hier beeindruckt besonders ein doppelseitiges Foto eines Gartens mit Datsche. Er gehört einem leitenden Angestellten der russischen  Energiewirtschaft. Solche Datschen bieten dem Menschen im Sommer die Möglichkeit, der Hektik des modernen Stadtlebens zu entfliehen und zugleich ihrem inneren Bauern gerecht zu werden, wie man liest. 

Mitteleuropa wird anhand Fotos aus Deutschland, Österreich, Polen der Schweiz, der Tschechoslowakei und Ungarn dem Betrachter vergegenwärtigt. Auch hier sind die Aufnahmen aus unterschiedlichen Jahrzehnten zu sehen, so etwa eine Aufnahme von John Launois, das in Wien im Café Demel entstanden ist. Zwei Damen genießen- in ein Gespräch vertieft -   vermutlich einen köstlichen Apfelstrudel. Im dazugehörigen Text erfährt man Näheres über die altwürdige Konditorei Demel und kann dann schon mal- in der Nostalgie angekommen-, einige Seiten später Stickerinnen in Appenzeller Land bestaunen.

Idyllisch ist der Blick über den Nikolaifleet in Hamburg, den Hans Hildebrand im Jahre 1920 fotografisch festgehalten hat. Beinahe glaubt man sich in Venedig. 

Dann plötzlich stößt man auf ein Foto aus dem Jahre 1933. Aufgenommen wurde es in Nürnberg. Überall sieht man Fahnen mit Hakenkreuz. Im Hintergrund schwebt das Luftschiff Graf Zeppelin über die Stadt. Eine Zeit wird also visualisiert, von der man hofft, dass sie sich nicht wiederholt. 

Eine wunderschöne doppelseitige Aufnahme in Farbe von der Marienburg beeindruckt, weil im Vordergrund Kinder vergnügt in der Nogat schwimmen und die alte Trutzburg dadurch  geradezu friedlich wirkt. 

Westeuropa,  das ist in diesem Buch Belgien, England, Frankreich, Irland, Monaco, die Niederlande, Nordirland, Schottland und Wales. Vielleicht sind hier die imposantesten Aufnahmen entstanden. So sieht man u.a. ein Foto aus dem Jahre 1948, aufgenommen in De Panne in Belgien. Der 2. Weltkrieg war erst drei Jahre vorbei, die Menschen zieht es bereits zum Licht. Viel zu lange hat die Dunkelheit angedauert.

Faszinierend ist die Aufnahme von der Göttin Aphrodite im Louvre, realisiert von Bruce Dale im Jahre 1970. Der Name des Künstlers, der sie vor 2000 Jahre erschaffen hat, ist nicht überliefert.  Auch ist da ein Foto aus dem Jahre 1920 zu bestaunen, das im Zentrum von Colmar entstanden ist und den Ort in vortouristischer Zeit zeigt. Atemberaubend schön. 

Zum Schluss dann darf man Fotos bewundern, die in Südeuropa entstanden sind. Konkret in Albanien, Bulgarien, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Mazedonien, Portugal, Spanien, Türkei und in der Vatikanstadt. Da ist beispielsweise die Kulisse der Stadtmauern von Avila in Zentralspanien. Die alte Befestigungsanlage soll über 87 Türme verfügen. Hier frage ich mich wie das auf die Einwohner wirkte in all den Jahrhunderten. Bestärkt es das Sicherheitsgefühl oder eher den Eindruck, dass alles Fremde Feind heißt?

Faszinierend ist das Foto, das zwei Portugiesen zeigt, die von einem Lavaauswurf überrascht wurden und ein weiteres, auf dem Portugiesen beim Picknick zu sehen sind, irgendwo auf Madeira 1958.

Eine doppelseitige Luftaufnahme von Florenz und ein Blick auf Pompeji lassen Reiselust nach Italien aufkommen. Doch dieser Bildband will m. E. mehr als nur Schönheit und Vielfalt präsentieren. Er möchte, dass wir erkennen, wie nah wir Europäer uns sind und wie unsinnig es ist, Mauern und Grenzen zu errichten, die uns voneinander entzweien.

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National Geographic. In 125 Jahren um die Welt. Europa

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